Die Streetart von Eron in Santarcangelo di Romagna

Die Stadt Santarcangelo di Romagna ist berühmt für ihre starke romagnolische Identität, für ihre Atmosphäre eines großen Dorfes, das vom richtigen Lebensrhythmus geprägt ist, für ihre architektonische Schönheit und für die Veranstaltungen von internationalem Format, die sie beleben, nicht weniger als die Dorffeste voller Düfte und Aromen.
 Santarcangelo ist zudem ein kleines Juwel der Poesie, bekannt durch Maestro Tonino Guerra, der unauslöschliche Spuren seiner Kunst in den Installationen in der Stadt, in den Gedichten an den Hauswänden und in den Keramikarbeiten an einigen der legendärsten und eindruckvollsten Orten der Stadt hinterlassen hat.

 

Santarcangelo kann sich jedoch auch eines anderen Erfolgs rühmen: die „Leinwand unter freiem Himmel“ eines der berühmtesten Straßenkünstler der Gegend - ERON, der weltweit Erste, der beauftragt wurde, die Decke einer Kirche mit Fresken zu bemalen - und der an 5 Orten der Stadt Zeugnisse seiner großen Kunst hinterlassen hat.

 

Wenn wir Santarcangelo über die Provinzialstraße erreichen, die von Rimini aus nach Savignano sul Rubicone führt, finden wir auf unsere linke Seite das Werk TOWER TO THE PEOPLE, in der Via Pozzo Lungo.
Das Werk drückt mit all seiner Pracht die Kraft der Sanftmut, die Macht der Gewaltlosigkeit, den Sieg der Freundlichkeit, die Liebe gegen den Hass, die Intensität der Poesie, die Vollkommenheit der Harmonie, den Wunsch der Menschen nach Freiheit und Frieden aus. Ein poetisches, stilles und gleichzeitig aufrüttelndes Werk, das eine erhobene Faust aus zarten dreidimensionalen Rosen zeigt.
Der Künstler erinnert an den Fall von Tommie Smith, dem schwarzen amerikanischen Athleten, der bei den Olympischen Spielen von 1968 in Mexiko-Stadt auf dem Podium eine geballte Faust in den Himmel reckte und damit einen Gruß an die Menschenrechte ausdrücken wollte.

 

Wir können das Auto auf dem freien Parkplatz in wenigen Metern vom Turm entfernt abstellen und zu Fuß in die Stadt gehen. Genau in dieser Straße, in der Via Ruggeri, finden wir das Städtische Waschhaus, das heute das Centro di Ricerca e Sperimentazione Teatrale ist, und oben an die Wand gemalt, das Werk SOUL OF THE WALL.
Auf der einen Seite das Antlitz von Raffaele Baldini, eine Hommage an den Dichter und Schriftsteller aus Santarcangelo, der auf der linken Seite der Wand erscheint, und auf der anderen Seite Frauen, die Wäsche waschen. Die Wand ist voller Bilder, Fragmente der Erinnerung und der Geschichte, die mit dem Ort selbst verbunden sind, die die Zeit an uns zurücksendet und in ihren Farben verblasst, aber immer noch als wunderschöne Schatten sichtbar sind.

 

Nach dem Waschhaus führt uns der obligatorische Abstecher auf unserer Tour auf die Rückseite des Supercinema auf der Piazza Marconi, wo ERON mit seinem Werk GIULIANA die Dichterin aus Santarcangelo Giuliana Rocchi feiert, die sozial und politisch engagiert war.
Die Dichterin, die aus einfachen Verhältnissen stammte, musste aufgrund wirtschaftlicher Schwierigkeiten die Schule verlassen, ging aber dennoch ihrer Vorliebe für das Schreiben nach und hinterließ uns wunderschöne Gedichte im romagnolischen Dialekt. Mit außerordentlicher Sensibilität fängt ERON die Essenz dieses Lebens ein und durchsetzt den Raum mit seiner üblichen hyperrealistischen Verspieltheit mit zum Trocknen aufgehängter, im Wind flatternder weißer Wäsche, die sich in Papierbögen und danach in Tauben verwandelt. Der Künstler fasst damit ein starkes und tiefgreifendes Gefühl von Freiheit zusammen und bringt uns dazu, über die Frau und ihre Rolle in der modernen Gesellschaft nachzudenken.

 

Wenn wir den Bogen der Piazza Ganganelli hinter uns lassen, kommen wir nach ungefähr 100 Metern zum Palazzo della Poesia in der Via Pascoli. In den beiden Lünetten des obersten Fensters finden wir die unverwechselbaren Rosen wieder, die wir bereits zu Beginn unserer Tour gesehen haben.
 Der dreidimensionale Effekt lässt die Blumen aus der Wand hervortreten, ein wahres Gedicht für den Palazzo della Poesia, durch eine der Blumen - die Rose - dem Symbol schlechthin für Liebe, Leidenschaft, Schönheit und Sinnlichkeit.

 

Die letzte Anlaufstelle unseres Rundgangs ist das MUSAS, das Historische Archäologische Museum von Santarcangelo, das mit dem Ziel gegründet wurde, das archäologische und historisch-künstlerische Erbe der Stadt und ihres Gebiets zu erhalten und zu würdigen.
Der Künstler hat in drei Werken im Museum Spuren seines Wirkens hinterlassen, die er in seinem unverwechselbaren erzählerischen Stil geschaffen hat.
Im Gang des MUSAS, genau im Durchgang von einem Raum in den anderen, hängt an der Wand der Brief, den eine zum Tode verurteilter Partisan für seine Mutter geschrieben hat.
 Vielleicht würden die eingerahmten Worte auch unbemerkt bleiben, aber ERON würdigt sie, indem er den „Rauch“ der Verzweiflung einer Mutter, die ihre Hände auf dem Gesicht hält, um die Tränen und den Schmerz zurückzuhalten, aus der Absaugdüse kommen lässt, die sich wenige Meter vom Bild entfernt befindet.
Und der Rauch scheint die Konstante zu sein, mit der der Künstler seine traditionellen Werke im Museum feiert. Über einem wunderschönen Kamin erscheint ein Vater in tröstender Haltung für das Werk DON'T CRY, das im Rahmen der Ausstellung „Unearth. Portare alla luce“ geschaffen wurde.
Am Ende des Rundgangs finden wir schließlich das Werk „GUIDO CAGNACCI IS GONE...“.  Genau an dem Punkt, an dem das MUSAS eines der schönsten Werke von Guido Cagnacci ausgestellt hatte, die Madonna mit Kind, lässt ERON das - in seinem Stil überarbeitete - Gemälde aus der übliche Absaugdüse oben an der Wand erscheinen und erinnert uns daran, dass ein wichtiges Kunstwerk, oder besser gesagt dessen Seele, für immer in die Wand eingeprägt bleiben kann, an der es sich befand.

Für Informationen zum MUSAS
Tel. (+39) 0541 624703, (+39) 0541 625212
 Via Della Costa, 26, Santarcangelo Di Romagna